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Unter diesem Link findet sich der vollständige Fließtext.
Hier befindet sich eine kurze Zusammenfassung der ersten 26 Kapitel.
Direkt im Anschluss befindet sich eine Übersicht über die einzelnen Kapitel, sowie die Vertonung der ersten zwei.
Wien, eine Stadt. Die einzige Stadt, in der ich jemals war. Der einzige Ort, an dem ich jemals war. Alle meine Freunde, Verwandte leben hier.
Meine Familie und ich, Mama, Papa, ein älterer Bruder und ich, leben in einem weiß gestrichenen Reihenhaus in der sechsten Ringstraße. Mir gefällt es, so nahe am Zentrum zu wohnen. Es erlaubt meinen Freunden und mir, jeden Abend gemeinsam mit vielen anderen in ein kleines Restaurant mit Kegelbahn zu gehen und ein wenig die Sorgen des Alltags zu vergessen.
Unsicher setze ich einen Schritt auf das Gefährt zu.
"Schnell!", drängt die Stimme aus dem Inneren. Durch die verdunkelten Scheiben kann ich nicht hineinsehen.
Irgendwie sagt mir ein komisches unbestimmbares Gefühl, ich sollte einsteigen. Alles andere, besonders mein Verstand hämmert jedoch dieses eine Wort in meinen Kopf: 'Nicht!'
Vernunft geht immer über Impulse.
Und irgendwie, so sehr ich mir schon ausmale, die Tür der V-Klasse zu durchschreiten, so sehr weiß ich auch, dass ich es dort nicht leicht haben werde.
Bei einem kann ich mir, bei all diesen Fragen in meinem Kopf, jedoch auf jeden Fall sicher sein.
In diesem Moment tippt mir von hinten jemand auf die Schulter.
"Hallo Kris. Wir hatten heute Morgen keine Zeit, miteinander zu reden. Wenn ich dich nun bitten dürfte, mir zu folgen, dann könnten wir unser unterbrochenes Gespräch fortsetzten", fordert er mich höflich auf.
"Wieso sollte ich?", entgegne ich instinktiv. In meinem Kopf dreht sich alles.
Moment - hat mir der Staat nicht eine Stadtkarte auf das Tablet geladen?
In mir gehen gerade Dinge vor sich, die ich nicht verstehe. Ein Cocktail aus fliegenden Gedanken und widersprüchlichen Gefühlen strudelt in meinem Kopf.
Es sind keine zwei Schritte bis zur Treppe, keine zwanzig bis zur Straße, keine zehn bis zur anderen Seite. Und dann? Wie geht es dann weiter?Nein, ich sollte das nicht tun. Es wäre unvernünftig.
Wir kommen auf einem leeren Betonplatz zum Stehen. Rund um uns herum erstrecken sich die weiten Flügel eines großen, weißen, nahezu fensterlosen Gebäudes.
Ein Soldat klopft an die Wagentür, öffnet sie für mich.
"Noch nie – und das meine ich wirklich so – ist mir jemand untergekommen, der sich so sehr dem System wiedersetzt, dass er aus ihm ausbricht. Noch nie ist mir jemand untergekommen, der sich so sehr auf sein Gefühl verlässt, sofort auf meine Fragen zu antworten und noch nie ist mir jemand untergekommen, der sich so viele Fragen stellt, wie du..."
Soll ich klopfen, oder einfach die Klinke runterdrücken?
Spontan entscheide ich mich für den direkten Weg. Dass mich eine neue Welt erwarten würde, wusste ich bereits heute Morgen, doch hatte ich bis jetzt nicht die geringste Vorstellung davon, wie diese Welt denn nun wirklich aussehen würde.
Dann ergreift er meine Hand. Je fester er zugreift, desto stärker wird das Lächeln auf seinem Gesicht. Am Ende stehen wir einander gegenüber, uns freudig in die Augen schauend und des jeweils anderen Hand zusammendrückend. Naja, eigentlich wird meine regelrecht zerquetscht und seine vielleicht ein wenig massiert...
Sagen wir einmal so: Sympathisch war mir dieser Aran schon von Beginn an überhaupt und schon gar nicht. Zu meinem und Milets Leidwesen, zu seinem Vorteil scheinen dies viele andere V-Klässler – vor allem einige der Mädchen – recht genau gegenteilig zu sehen.
Carik tritt einen Schritt von uns zurück, kündigt an:
"Mal sehen, was in euch steckt. Luko! Haran!", ruft er die beiden herbei, fügt dann, an uns gewendet hinzu:
"Keine Angst, sie mögen brutal wirken, aber ihr beide habt ihnen eines voraus", er tippt sich lächelnd an den Kopf:
"Hirnmasse." Beruhigend...
Verschwommen nur nehme ich die Welt um mich herum wahr. Weiß, gleisend helles Licht, schnelle Schritte, unzählige Personen, laute, unverständliche Stimmen, sie heben mich hoch. Klackernde Räder drehen sich unter mir, verwirrt lege ich benommen den Kopf zu Seite. Irgendjemand beugt sich über mich, seine Worte sind nichts als ein an- und abschwellendes Wiederhallen. Knallend schlagen Türen auf und dann wieder zu, die Welt wird etwas dunkler.
Stille.
"Ruhig", beschwört er mich, tritt aus dem Schatten, lässt sich auf meinem Schreibtischstuhl nieder.
"Sagen wir einmal so: Das, was ich dir erzählen werde, sollte nicht von anderen gehört werden. – Noch nicht."
Fürs Erste lasse ich ihn sein Ding tun, verschränke die Arme hinter dem Kopf und starre hinauf auf meine kahle, nächtlich graue Zimmerdecke.
"So, da du nun fertig zu sein scheinst... Selbst, wenn jedes einzelne deiner Worte auch nur in irgendeiner Weise der Wahrheit entspräche - was einen äußerst unwahrscheinlichen Fall darstellen würde: Was soll mir das bringen? Habe ich irgendeinen Grund, dir zu vertrauen?"
Sieht so aus, als würde ich wohl meine erste Stunde in der V-Klasse verpassen. Je nachdem, wie lange das jetzt dauern mag. Was aber wohl wichtiger ist, wieso? Blöderweise bin ich mir fast sicher, dass diese Stimme zu dem Mann mit den Sonnenbrillen gehört und gefühlsmäßig ist es die erste Person, bei der ich es gerne vermeiden würde, sie zu treffen.
"Kris, du musst los", reißt Milet mich aus meinen Gedanken.
Ein zweites Mal noch versucht er, die richtigen Worte zu finden, dafür, was er sagen will. Erneut kommt nichts als Stille bei mir an.
"Zu ihrer Wohnung?", vergewissert sich der Fahrer.
Zwei Sekunden dauert es, bis die Botschaft sich in Junos' Bewusstsein, der wie gebannt auf die Sitzfläche links von sich starrt, vorgearbeitet hat. Aus seinen Gedanken gerissen bestätigt er nachdenklich, abwesend murmelnd:
"Ja. So schnell, als möglich..."
"Hast du Hunger?", fragt er verantwortungsbewusst, streckt dann seinen Kopf durch die Tür und bemerkt meinen Gesichtsausdruck. Wieder scheint er nicht ganz zu wissen, was zu tun ist.
Er entscheidet sich für etwas, mit dem man generell nichts falsch machen kann: Er nimmt stumm neben mir Platz, spendet mir stille Unterstützung.
"Aufstehen", weckt Junos mich. - Wieso nicht meine Mutter?
Ein neuer Tag, ein neues Glück. Naja, vielleicht. Immerhin, heute kann ich mir die Route von hier zur Schule einprägen und anschließend zur Karte hinzufügen, welche ich gestern begonnen habe zu zeichnen.
Ich frage mich jetzt ernsthaft, wieso? Hat damals etwa niemand gelebt, außer den Kriegern? Oder wie ist das zu sehen? Ich meine, warum gibt es nichts darüber, wie das Leben früher war, vor dem Staat? Schlimmstenfalls will man nicht, dass man davon erfährt. Aber wieso sollte das so sein?
Bei diesem Kapitel handelt es sich um einen Gastauftritt, geschrieben von Christina Mair. Es wird eine neue Figur in Form des Mädchens Tihana eingeführt.
Seit etwa drei Stunden sitze ich vor dem Funkgerät und warte auf eine Nachricht von Naan. Inzwischen müssten sie die Mission längst abgeschlossen haben, das Nichtstun und Herumsitzen macht mich nervös.
27. April 2062, 8:01, Wien
"Guten Morgen!", begrüßt uns unser Klassenvorstand mit ernster Miene: "Setzt euch."
Stumm tun wir, was er sagt. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm, irgendetwas ist anders, irgendetwas hat sich verändert. Und Veränderung ist etwas Schlechtes im Staat.
27. April 2062, 8:29, Süd-Grenzübergang, Wien
Mit einem Wink sendet der Wachmann einen Kollegen hinaus, den Bus zu überprüfen, während er selbst sich hinter einen der Bildschirme klemmt.
Nach zwei Mausklicks und dem schleifenden Geräusch eines Druckers reicht der Wachmann Milet, Aran und mir je ein Stück Papier mit unserem Foto darauf.
27. April 2062, 8:43, Graslandschaft südlich von Wien
Die Motoren brummen los. Vier Wagen des V-Kommandos rollen durch das Maschendrahttor hinaus aus dem Staat, über das Grasland hin in Richtung Donau.
Damit setzt sich Tihanas Geschichte, geschrieben von Christina Mair, fort.
27. April 2062, 8:36, Graslandschaft südlich von Wien
Das Gebrüll wird langsam leiser und auch der Rauch brennt nicht mehr so sehr in meinen Augen, je näher ich dem Wald komme. Meine
Lungen verkrampfen und ich fühle ein Stechen in meinen Rippen, doch ich laufe weiter.
27. April 2062, 10:13, Wien, V-Kommandohauptquartier
"Öffnet das Tor. Tihana Sansamann wird zur Befragung überführt", gibt der Beifahrer über Funk durch.
Das Mädchen zwischen Carik und mir starrt stumm geradeaus durch die Windschutzscheibe auf das mächtige Stahltor, welches sich soeben geräuschlos zur Seite schiebt. Leicht wippt eine Strähne ihrer
Haare, als wir erneut anfahren und auf den Platz rollen, reflektiert rötlich glänzend das Sonnenlicht.
28. April 2062, 7:22, Wien, Wohnsitz der Flammenwolfs
"Morgen", grüßt Aran, nimmt links von Tihana Platz.
Man kann ihr Unwohlsein in der Luft spüren. Sie zieht die Schultern hoch, senkt den Kopf leicht ab. Unwillkürlich versuche ich ihr irgendwie Nähe zu signalisieren, realisiere, dass das auf Stühlen recht schwer geht, ohne selbige zu verrücken, und verfalle in einen ähnlichen Zustand des Unbehagens.
28. April 2062, 13:26, Wien, Schulzentrum
Man merkt, wie sich in ihr alle Gefühle anstauen. Am liebsten würde sie vermutlich losbrüllen, sich all den angesammelten Frust aus dem Kopf schreien. Aber sie kann nicht. Sie ist ein Leben im 'Nicht-Staat' gewohnt. Frei, ohne Zwang und große Regeln - zumindest laut Naan. Jetzt ist sie hier, wird in unser System von Abläufen gepresst.
Mit diesem Kapitel begrüßen wir nun unseren zweiten Co-Autoren von "Der Staat". Sein Name ist David Leitner und er übernimmt die Figur des Naan.
28. April 2062, 13:33, Wien, Hochsicherheitsgefängnis
"Ruhig…", beschwöre ich mich selbst. Ich liege in einer Einzelzelle auf dem Boden und denke nach. Nein. Das geht jetzt nicht. Mein Kopf schmerzt höllisch vom K. O. - Schlag dieses V-Mannes. Ich habe schon seit meiner Kindheit vor ihnen Angst.
28. April 2062, 14:19, Wien, Wohnsitz der Flammenwolfs
"Und, was willst du hören?", möchte sie erfahren. Ist es eine Spur Begeisterung gemischt mit einer Portion Vorsicht und etwas Neugierde oder doch einfach nur Langeweile? Gut, das liegt recht weit auseinander, aber wenn jemand so leise spricht wie wir gerade und es noch dazu dunkel ist, wird die Sache schon schwieriger…
"Naan hat mir vom Leben außerhalb des Staates erzählt. Ich möchte zuerst eine Bestätigung von dir, dass er die Wahrheit gesagt hat. Ist es wahr, dass…"
28. April 2062, 18:47, Wien, Wohnsitz der Flammenwolfs
Plötzlich, ungefähr so überraschend, wie Naan damals direkt vor mir abgebremst hat, verkrampfen sich Tihanas Handmuskeln um den Griff des Löffels, ihr Blick versteinert zu einer ausdruckslosen, kalten Maske der Gefühlslosigkeit.
Dann fällt der Metallstiel aus ihren Fingern. Laut klirrend scheppert er auf den Tellerrand. Ein, zwei Tropfen Suppe spritzen hoch. Irgendwie spüre ich Wut in ihrem Auftreten, gleichzeitig aber auch Hilfslosigkeit und Ungläubigkeit.
Sie stürmt davon. Ich höre eine Tür zuschlagen.
29. April 2062, 15:10, Wien, Wohnsitz der Flammenwolfs
So sitze ich da auf der Kante meines Bettes, den Kopf in die Hände gestützt. Immer und immer wieder mich selbst rügend, wie ich bloß so dumm sein konnte.
Junos kann nicht anders, als mitbekommen zu haben, dass ich versuche, etwas über Gefühle herauszufinden!
29. April 2062, 16:01, Wien, Trainingszentrum des V-Kommandos
Der Wachmann gewährt uns Einlass nach Kontrolle unserer Personalien, tritt zur Seite, hält seinen Daumen auf einen Scanner und drückt einen kleinen grünen Knopf auf einem Schaltpult, welches in der Wand rechts neben der Tür eingelassen ist.
29. April 2062, 16:13, Wien, Trainingszentrum des V-Kommandos
Bilder flimmern über die Bildschirme. Zwei Jungen betreten eine große Halle. Verwirrt schauen sie sich um. Für einen kurzen Moment bleiben sie stehen, blicken verwirrt um sich, setzen sich dann augenblicklich in Bewegung, laufen los.
29. April 2062, 16:21, Wien, Trainingszentrum des V-Kommandos
Der ältere Mann, unser zugeteilter Ausbilder wie ich meine, erwartet uns auf der anderen Seite der Halle mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, das Anflüge von Respekt und Unsicherheit zeigt.
30. April 2062, 07:52, Wien, Schulzentrum
Wieder betrete ich die Klasse am Morgen. Die gleichen, schlaffen Gesichter blicken mir entgegen. Der gleiche, kalte Raum begrüßt mich. Wie sehr ich diese Routine, die mir der Staat aufzwingt, hasse. Mein Blick bleibt an Kris hängen, der sich bereits hingesetzt hat und mich auffordernd ansieht.
30. April 2062, 18:21, Wien, Wohnsitz der Flammenwolfs
"Ihr drei, kommt mal her!", ruft Carik Tihana, Aran und mich gewollt gelassen, aber im Unterton angespannt ins Wohnzimmer: "Ich muss mit euch sprechen!"
Tihanas Augen nach zu schließen, macht sie sich irgendwelche Hoffnungen.
1. Mai 2062, 8:32, Vorort, Quartier des V-Kommandos
Ich war allen Ernstes in der Annahme, in der Schule des Staates alles Wichtige über die Welt um mich herum zu lernen. Und nun muss ich mitansehen, wie jeder einzelne Schritt hinter Taro her mir mehr beibringt als eine halbe Stunde Unterricht - was sich auf einem Zwei-Stunden-Marsch natürlich aufsummiert…
2. Mai 2062, 7:11, Vorort, Quartier des V-Kommandos
Zaghaft dringen Tihanas Worte durch den Spalt des gekippten Fensters: "Kris? Kris, wach auf."
Milet neben mir brummt irgendetwas.
Gewohnt zügig spanne ich die Bauchmuskeln an, richte mich auf und schaue durch die Glasscheibe zu meiner 'Schwester' hin.
2. Mai 2062, Nachmittag, Pannonien, südlich des Vorortes
Wir sind auf einer Straße hierhergekommen. Also führt mich ebenjene auch wieder zurück zum Vorort. Gut.
Wir sind nicht lange gefahren, nur etwa fünfzehn Minuten. Die Distanz ist also auch nicht besonders groß. Maximal zwanzig, fünfundzwanzig Kilometer im schlimmsten Fall.
Marschrichtung ist klar. Immer schön nordwärts halten, die Sonne auf der linken Schulter.
3. Mai 2062, 12:48, Pannonien, Vorort
Nach einem hastigen Mittagessen, während dem ich versuche, den unablässigen Gedankenstrom in meinem Kopf einzubremsen, begebe ich mich in mein Zimmer und sinke erschöpft auf die Bettkante.
Tihana - wieso? Wozu? Warum?
4. Mai 2062, 8:02, Pannonien, Hügelbach
"Wir sind hier, um Tihana Sansamann zu finden. Nicht mehr, doch auch ganz sicher nicht weniger!", ruft Carik über den Platz: "Wir werden die gesamte Stadt durchsuchen und sämtliche Bewohner
befragen. Haltet außerdem Ausschau nach ihrem Motorrad. Es werden jeweils drei Polizisten mit einem V-Kommandomitglied zusammenarbeiten. An die Arbeit. Wegtreten!"
4. Mai 2062, 11:56, Pannonien, Hügelbach
Unverrichteter Dinge kommen wir am Speisesaal an, nehmen stumm, in Gedanken versunken, unser Mittagessen zu uns.
"Es scheint so, als wären die anderen Trupps ebenfalls nicht sehr erfolgreich gewesen", brummelt Carik, nimmt einen weiteren Bissen.
4. Mai 2062, 16:30, Pannonien, Vorort, Außenposten des V-Kommandos
Ein wütender, aufgelöster und verdammt angefressener Carik stürmt ins Nebenzimmer des Verhörraumes in welchem Julian nun schon seit einigen Stunden gemütlich dasitzt und Kaffee trinkt, während Carik, der Offizier und eine Frau von der Polizei ihn abwechselnd mit Fragen bombardieren, auf die er alle samt und sonders nicht antwortet.
4. Mai 2062, 6:30, Pannonien, Vorort
Die Morgensonne spiegelt sich auf den Scheiben des V-Kommandofahrzeuges, gerade noch so kämpft sie sich durch die von Süden her aufziehende Wolkendecke. Wir haben eine Richtung, wir haben ein Ziel, wie haben einen Weg.
5. Mai 2062, 0:09, Nord-Dalmatien, Triest
In voller Fahrt rasen wir durch die leeren, dunklen Straßen der Stadt, die Scheinwerfer des Wagens als einzige Lichtquelle.
Aran gibt aus dem Kofferraum in schneller Reihenfolge die nötigsten Ausrüstungsteile nach vorne. Funkgerät, Helm, Schussweste, Pistolen.
5. Mai 2062, 19:37, Pannonien, Hügelbach
"So, da wären wir wieder…", biegt Carik in unsere Zielstraße ein und hält vor dem Hauptgebäude Hügelbachs. Dann dreht er sich um, blickt Rami tief in die Augen und schärft ihm ein: "Hier ist Endstation für dich." Rami nickt und verlässt den Wagen, meidet tunlichst meinen und Tihanas Blick.
6. Mai 2062, 13:01, Pannonien, Vorort
Hastig stehe ich auf, überschlage mich fast, als ich versuche, nach meinen Stiefel zu greifen, obwohl ich noch nicht einmal richtig hochgekommen bin und lande unsanft auf dem Boden, rapple mich eilig wieder hoch.
Ich muss zu Carik! - Ich muss ihm sagen, was ich herausgefunden habe! - Wir müssen in den Staat!
7. Mai 2062, 10:09, Staat, Parlament
"Ja! Das meine ich!", braust der Große Boss so unerwartet auf, dass Milet, Aran, Tihana und ich zusammenzucken und Carik zu einem Rückwärtsschritt ansetzt, sich gerade aber noch beherrschen kann. Die Augen des Mannes vor uns verengen sich und er lehnt sich leicht nach vorne auf seine Zehenspitzen, spreizt die gestreckten Arme etwas zur Seite hin ab. - Seine gesamte Körpersprache brüllt uns nur so entgegen: Angriff, Aggression.
12. Mai 2062, 8:01, Staat, 1. Ringstraße, Hauptplatz
"Verehrte Bürgerinnen und Bürger des Staates!", setzt Arik Flammenwolf, der Präsident und Gründer des Staates, Anführer der Großen Acht, die gemeinsam die Katastrophen im Jahre 2015 überlebt haben, feierlich an: "Die letzten Tage und Wochen waren eine äußerst turbulente Zeit. Im Staat ist viel geschehen, viel Neues wurde geschaffen und viel Altes wurde verworfen."
8. Mai 2062, 8:01, Staat, Hochsicherheitsgefängnis
Es muss jetzt schon einige Tage - oder schon Wochen - her sein, dass mich der Staat in dieses Gefängnis gesteckt hat. Hier unter verliert man völlig das Gefühl für Zeit. Ständig versuchen die Wachen und 'Psychologen' mich in ihr System zu zwingen, aber das werden sie nicht schaffen. Ich muss an Emi, Tihana und all meine Freunde da draußen denken. Wie es ihnen wohl ergeht?
8. Mai 2062, 8:01, Staat, Hochsicherheitsgefängnis
Die Mauern des Gefängnisses um mich herum beunruhigen mich, doch meine Ungeduld ist größer. Obwohl wir schnell gehen, kommt es mir vor, dass die Zeit nicht vergeht. Die kalten grauen Wände lassen mich frösteln.